Managementaufgabe 3

Managementaufgabe 3:
Konsequenzen ziehen – Entscheidungen treffen

Professionalität braucht den Mut zur Entscheidung

Im letzten Beitrag habe ich herausgestellt, dass professionelles Management Zeit in Anspruch nimmt. Zeit zur Reflexion und zur soliden Vorbereitung von Entscheidungen. Doch selbstverständlich ist mir klar, dass wir im Alltag oft kaum Zeit haben. Vor allem fehlt die Zeit, alles Relevante in allen Dimensionen zu Ende zu denken. Es ist eine Fiktion, dass durch konsequentes Reflektieren ein restloses Auflösen von Unsicherheit möglich wird. Zu managen heißt deshalb auch, einen verantwortungsvollen Umgang mit Unbestimmtheit und Unsicherheit zu finden. Deshalb darf die im vorangegangenen Blogbeitrag beschriebene Managementaufgabe „Reflektieren“ nicht zu einer „Endlosschleife“ verkommen, aus der Führungskräfte erst dann bereit sind herauszutreten, wenn sich Unsicherheiten und Risiken aufgelöst haben.
Reinhard K. Sprenger weist in seinem Buch „Radikal Führen“ darauf hin, dass Unsicherheit ein Wesensmerkmal von Entscheidungen ist. Er grenzt Entscheidungsituationen ab von Situationen, in denen wir „die Wahl haben“. Gäbe es Unsicherheit nicht und ließen sich alle denkbaren alternativen Vorgehensweisen mit allen daraus folgenden Konsequenzen ermitteln und bewerten, wäre eine Entscheidung im Sinne Sprengers nicht mehr erforderlich. Wir würden einfach diejenige Variante wählen, die dem gewünschten Ergebnis am nächsten kommt.
Vielleicht werden Sie demnächst durch Ihre Vorgesetzten aufgefordert, eine Beschlussvorlage noch einmal zu überarbeiten, um noch letzte vorhandene Unsicherheiten „auszuräumen“. Dann wissen Sie, dass das im Grunde eine „mission impossible“ ist. Ein verantwortungsvoller Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen in unbestimmten Entscheidungssituationen zeichnet sich somit durch eine angemessene Zeitspanne für Reflexion, durch Entscheidungsstärke und den Mut zum unternehmerischen Risiko aus!
Ist Wesentliches herausgearbeitet und in seinen systemischen Zusammenhängen gut durchdrungen, fehlt es “nur noch“ am Mut zur Entscheidung. Die Reflexionspanne richtig zu bemessen und den Entscheidungszeitpunkt richtig zu wählen, wird zu einer wichtigen Stellgröße für professionelles Management. Investieren Sie zu wenig Zeit ins Reflektieren, setzen Sie sich dem Vorwurf aus, spontane Bauchentscheidungen getroffen zu haben. Denken Sie andererseits zu lange nach und beschäftigen Sie Ihre Mitarbeitenden zu lange mit Entscheidungsvorbereitungen, wird man Ihnen vorwerfen, zu zögern und zu zaudern.

Konsequenzen ziehen

Sie werden es wahrscheinlich schon erkannt haben: Die hier im BLOG beschriebenen Managementaufgaben kennzeichnen einen Entscheidungsprozess. Die Managementaufgaben eins und zwei sichern eine solide Entscheidungsgrundlage ab: Informieren und Reflektieren. Aufgabe drei beschreibt das Fällen der Entscheidung selbst und Aufgabe vier – das sei hier schon einmal vorweggenommen – sichert ab, dass die getroffene Entscheidung auch tatsächlich umgesetzt wird.
Ich habe die ersten beiden Aufgaben relativ ausführlich dargestellt, weil ich in meinen Beratungsaufträgen oft beobachten kann, dass eine gute Entscheidungsvorbereitung eher zu kurz kommt. Wenn ich Einblick nehme in die Arbeit von Führungskräften und Organisationen, dann stelle ich aber fast ebenso häufig noch ein weiteres Phänomen fest, welches mindestens ebenso problematisch ist, wie eine unzureichende Entscheidungsgrundlage.
Trotz umfangreicher und professionell erstellter Entscheidungsvorlagen neigen manche Führungskräfte im Moment der Entscheidung dazu, doch die eigenen Überzeugungen und Erfahrungen höher zu bewerten, als gut recherchierten Fakten und begründeten Empfehlungen. Da werden dann z. Bsp. in einem Strategieprozess Entscheidungen von Geschäftsführern oder Vorständen herbeigeführt, die in keinem Zusammenhang mit den Ergebnissen der gut und zutreffend recherchierten Strategievorbereitung stehen. Deshalb ist mir das „Konsequenzen-ziehen“ so wichtig. Aufgabe drei würdigt den Wert der Vorarbeit. Berücksichtigt eine Entscheidung die Ergebnisse der Entscheidungsvorbereitung nicht, war sie vergeblich, wurden Ressourcen falsch eingesetzt.
Selbstverständlich kenne ich auch sehr erfahrene und kompetente Führungskräfte, die auch bei unzureichenden oder fehlerhaften Vorarbeiten von Mitarbeitenden bei ihren Entscheidungen auf dem „richtigen Weg“ bleiben. Doch müssten in einem solchen Fall dann nicht Konsequenzen gezogen werden – wenn auch auf einer ganz anderen Ebene?

Auch Entscheiden bedeutet denken – doch mit einem zusätzlichen Fokus!

Durch die Erledigung der Managementaufgaben eins und zwei haben wir die relevanten Informationen und wesentlichen Themen fokussiert. Bis hierhin wurden jedoch noch nicht die Entscheidungsoptionen selbst und die mit ihnen jeweils verbundenen Auswirkungen durchdacht. Das Reflektieren wird damit im Weiteren durch neue Aspekte ergänzt. Ich werde auf die aus meiner Sicht wesentlichen Punkte eingehen – ohne damit den Anspruch auf Vollständigkeit zu erfüllen.
Vorausgestellt sei die Selbstverständlichkeit, dass bei mehreren vorhandenen Optionen (inklusive der Option, nichts zu verändern) immer die sinnvollste gewählt werden sollte.

1. Bin ich der Richtige?
Die allererste Frage, die bei anstehenden Entscheidungen beantwortet werden muss, lautet: „Bin ich überhaupt der zuständige Entscheider?“ In zahlreichen Organisationen werden Entscheidungen von Personen getroffen, die dies eigentlich nicht tun sollten. Selbst wenn die Entscheidungsbefugnisse formal bestimmt sind, treffen wir dort z. Bsp. ein beliebtes „Spiel“ an: die Rückdelegation von Verantwortung. Mitarbeitende übernehmen dann nicht selbst die Entscheidungsverantwortung, sondern legen ihre Themen den jeweiligen Vorgesetzten zur Entscheidung vor. Wenn sie die damit verbundene Rückdelegation nicht erkennen, lassen sie sich zu spontanen Entscheidungen hinreißen. Damit schaffen sie aber gerade die Grundlage für eine Verfestigung des rückdelegierenden Verhaltens ihrer Mitarbeiter. Auf diese Weise werden diese und ähnliche Entscheidungen auch in Zukunft von ihnen selbst statt von den zuständigen Mitarbeitern getroffen. Selbstverständlich gibt es auch das Gegenstück hierzu: Entscheidungen von Vorgesetzten in den eigentlichen Handlungsbereich eines Mitarbeitenden hinein. Auch dies hat natürlich kulturprägende Bedeutung.
Die zweite Frage lautet: „Bin ich kompetent (genug) für eine Entscheidung?“ Vor schwierigen Entscheidungen ist nicht nur die Frage wichtig, wer zuständig ist, sondern auch, wer über die notwendigen Kompetenzen und Erfahrungen für eine gute Entscheidung verfügt. In komplexen und dynamischen Situationen kann meines Erachtens nicht davon ausgegangen werden, dass Stelleninhaber zwangsläufig kompetent für alle in ihrem Verantwortungsbereich anstehenden Entscheidungen sind. Dies bedeutet nicht, dass sie Entscheidungen nicht treffen könnten, sondern, dass sie in die Entscheidungsfindung sachkompetente Personen einbeziehen müssen. Wer selbst nicht über das erforderliche Wissen verfügt, bindet Know-how-Träger ein und fragt nach ihren Einschätzungen und Empfehlungen – ehe er entscheidet.
Und eine dritte Frage scheint mir hilfreich zu sein: „Wie gewinne ich Mitarbeitende für die Umsetzung meiner Entscheidung?“ Jede Entscheidung ist nur so gut, wie ihre anschließende Umsetzung. Deshalb ist die im nächsten Blogbeitrag zu behandelnde Aufgabe vier „Umsetzen“ so wichtig. In sozialen Systemen – wie etwa einem Team oder einer Organisation – ist jedoch nicht nur bedeutsam, dass eine Entscheidung getroffen wird und ob sie an und für sich sinnvoll ist, sondern ebenso, ob es gelingt, Mitarbeitende für ihre Umsetzung zu gewinnen. Deshalb kann es hilfreich sein Entscheidungen als Gruppe oder im Team zu treffen, wenn auf diesem Wege mehr Menschen erreicht werden können. Gerade in mehrköpfigen Organen kann diese Frage aktiv genutzt werden, um Entscheidungen wirkungsvoller in Organisationen umsetzen zu können.

2. Optionen durchdenken
In „klassischen“ Entscheidungstheorien heißt es: „Durchdenken Sie alle Entscheidungsoptionen“. Ich meine, dass die erste Anstrengung dahin gelenkt werden sollte, die relevantesten und hilfreichsten Optionen zu identifizieren. Das kann auch bedeuten sich von gewohnten Optionen einmal zu trennen und kreative Wege zu suchen. Theoretisch sind unendlich viele Optionen oder Varianten denkbar, um ein Problem zu lösen oder eine konkrete Frage zu beantworten. Sie alle ausführlich zu reflektieren, ist nicht möglich. Wer meinen letzten Blogbeitrag gelesen hat, ahnt es schon: Sie dürfen sich auf diejenigen Optionen beschränken, die wesentlich sind!

3. Konsequenzen der Entscheidung durchdenken
In der Regel haben Führungskräfte im Moment der Entscheidung klare Ziele vor Augen. Sie treffen ihre Entscheidungen, um etwas zu erreichen. Mein Eindruck ist jedoch, dass allzu oft in vereinfachten linearen Zusammenhängen gedacht wird: Um ein Ziel zu erreichen, müsse man nur Mittel und Maßnahmen bestimmen und geradewegs auf das Ziel zuhalten. Dann würde sich der Zielzustand auch wie gewünscht einstellen. Nicht bedacht wird in solchen Fällen, dass jede Entscheidung auch unbeabsichtigte Folgen mit sich bringen kann. Sie im Vorfeld einer Entscheidung zu antizipieren, hilft, dass es nicht zu einem „bösen Erwachen“ kommt.
In einer Organisation, die ich beraten durfte, hatte eine TOP-Führungskraft den Eindruck, dass eine Person der zweiten Führungsreihe weniger engagiert sei als ihre neun Kollegen. Sie stand im Verdacht, zu wenig zu arbeiten und es bestanden Zweifel, ob sie ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllt. Es wurde entschieden, dass alle Führungskräfte der zweiten Ebene nun einen wöchentlichen Arbeitszeitnachweis auszufüllen und der Chefin vorzulegen haben. Bislang waren sie in ihrer Arbeitszeitgestaltung frei. Es galt das Prinzip der „Vertrauensarbeitszeit“, die ohne Nachweis erbracht wurde. Bezogen auf den Verdacht gegenüber der einen Person wäre eine Arbeitszeiterfassung möglicherweise ein probates Mittel gewesen. Bezogen aber auf die Gruppe der Führungskräfte führte die Entscheidung zu unerwünschten Nebeneffekten. Sie erlebten die Verpflichtung zum Arbeitszeitnachweis als Ausdruck des Misstrauens. Es entstand der Eindruck, dass ihr über die arbeitsvertraglichen Pflichten hinausgehendes Engagement nicht (mehr) wahrgenommen wird. Außerdem wurde wertvolle Arbeitszeit bei der Erfüllung der neuen Dokumentationspflichten vergeudet. Die Leistung der gesamten Führungsmannschaft hat sich durch die getroffene Entscheidung eher verschlechtert. Im Übrigen fand die im Verdacht stehende Führungskraft selbstverständlich Mittel und Wege, stets einen makellosen Stundennachweis abzuliefern, selbst dann, wenn sie ihre Pflichten weiterhin nicht erfüllte.
Bedenken Sie deshalb immer die Neben- und Fernwirkungen ihrer Entscheidungen. Entscheidungen bleiben nie ohne Auswirkungen auf das System. Möglicherweise birgt eine für das Hauptkriterium sinnvoll erscheinende Option sehr viele negative Nebenwirkungen oder Risiken in den Nebenkriterien. Unter diesem Gesichtspunkt werden Sie einer anderen, im ersten Eindruck suboptimal wirkenden Option den Vorzug geben müssen.
Folgen einer Entscheidung können auch zeitverzögert eintreten. Denken Sie also nicht nur an die kurzfristig gewünschten Effekte, sondern behalten Sie auch die mittel- und langfristigen Auswirkungen im Blick. Ein Marketingbudget ist beispielsweise schnell gekürzt, um einen kurzfristigen monetären Einspareffekt zu erzielen. Aber kennen Sie auch die langfristigen Auswirkungen reduzierter Marketingbemühungen?

Ein Hinweis zum Schluss:

Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass Entscheidungen immer mit Unsicherheiten verbunden sind, müssen wir damit rechnen, auch falsche Entscheidungen zu treffen. Die Dinge entwickeln sich dann anders als gedacht und angenommen. Wären die eingetretenen Auswirkungen im Moment der Entscheidungsfindung bereits bekannt gewesen, hätte man sich anders entschieden. Auf diesem Hintergrund ist es wichtig, bereits mit der Entscheidung folgende Fragen in den Blick zu nehmen:

  • Wie kann möglichst frühzeitig erkannt werden, dass die getroffene Entscheidung falsch war?
  • Welche Optionen zur „Nach- und Umsteuerung“ gibt es, damit Prozesse gestaltbar bleiben?

Es ist wichtig, dass Ziele von verantwortungsvollen Führungskräften hartnäckig verfolgt werden. Einmal getroffene Entscheidungen dürfen jedoch „nicht in Beton gegossen“ sein. Es ist wichtig, Fehlentscheidungen als solche zu erkennen, zu benennen und Korrekturen einzuleiten. Ein vermeintlich damit verbundener „Gesichtsverlust“ darf dem nicht im Wege stehen. Führungskräfte, die einmal getroffene Entscheidungen unter dem Eindruck unerwünschter Wirkungen korrigieren, geben allen ein Beispiel für die Kultur einer lernenden Organisation.

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