Managementaufgabe 2

Managementaufgabe 2:
Konsequentes Reflektieren und Durchdenken der Informationen – Wesentliches herausarbeiten

Professionalität braucht Zeit

„Guten Tag, Chefin, ich brauche dringend eine Entscheidung von Ihnen.“ Kennen Sie diesen Satz, den man als Vorgesetzte oder Vorgesetzter immer wieder zwischen Tür und Angel zugerufen bekommt? Und in vielen Fällen möchten Mitarbeitende dabei sofort eine Aussage von Ihnen, damit sie weiterarbeiten können. Doch solche Fragen sind im Prinzip nichts anderes als eine Einladung zum Aktionismus, der man einfach folgen und umgehende Antworten geben kann.
Doch Professionalität braucht Zeit. Wirksame Führungskräfte erkennt man daran, dass sie sich in solchen oder ähnlichen Situationen bemühen, die Zeit zwischen Information und Entscheidung zu vergrößern. Man sollte sogar noch weiter gehen. Erst durch konsequentes Reflektieren und Durchdenken der gegebenen Informationen und der umfassenden Situation, kann eine Führungskraft verantwortungsvoll handeln und Verantwortung übernehmen. Wer aus Bequemlichkeit oder dem Druck des Mitarbeitenden folgend reagiert, gibt das Steuer aus der Hand. Andere und die Rahmenbedingungen treiben die Führungskraft dann durch ihren Tag und bestimmen, was zu tun ist.

Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman rät in seinem Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“, Entscheidungen nicht nur auf der Grundlage des Systems 1 (schnell, automatisch, assoziativ und ohne willentliche Steuerung) zu treffen, sondern auch das langsamere und mühsamere System 2 (langsam, gezielt, durchdacht und mit willentlicher Steuerung) zu nutzen. Werden Entscheidungen ausschließlich auf der Grundlage des Systems 1 getroffen, werden alle im vorangegangenen Blogbeitrag beschriebenen Wahrnehmungsprobleme (Wahrnehmungsverzerrungen, unzureichende Perspektiven und Nichterkennen systemischer Zusammenhänge) „zuschlagen“. Erst das Zuschalten von System 2 macht Wissen, Erfahrungen und Intelligenz im Dienste der Sache nutzbar. Dass hierbei das Denken langsamer erfolgt und – wie oben angedeutet – ein Mehr an Zeit gezielt geschaffen werden muss, darf auf keinen Fall als Zeichen von Ineffizienz verstanden werden.

Wir haben noch ein weiteres Wahrnehmungsproblem. Die für das Durchdenken benötigte Zeit ist Zeit, die man spürt und die sofort für andere Tätigkeiten fehlt. Die Zeit aber, die man sich nehmen muss, um im Nachgang den Schaden von Fehlentscheidungen zu begrenzen oder um mit weiteren Maßnahmen nachzusteuern, wird in diesem Moment nicht wahrgenommen. Sie liegt zum Zeitpunkt der Entscheidung noch in der Zukunft. Ihr Zeitbedarf kann nicht quantifiziert oder gar gemessen werden. Es sollte klar geworden sein, dass in ein ausreichendes Maß an Konzentration und Denken investierte Zeit ein sehr gutes Invest ist.

Professionalität braucht Gedankensortierhilfen

Doch was geschieht eigentlich beim Durchdenken und Reflektieren? Wie und wodurch entsteht ein Mehrwert im Vergleich zum ständigem Wiederholen der gleichen Gedanken? Abstrakt formuliert könnte man sagen, dass zusätzliche gedankliche Ressourcen beim Reflektieren nutzbar gemacht werden und deshalb ein Erkenntnisgewinn möglich wird. Beim Durchdenken können andere Zugänge zu Situationen möglich, blinde Flecken deutlich und durch Gedankensortierhilfen zusätzliche Orientierung geboten werden. Unter Gedankensortierhilfen möchte ich hier wirksame Modelle für (mehr oder weniger komplexe) Situationen verstehen, die helfen sollen, Überblick zu gewinnen. Solche Modelle können wissenschaftliche Theorien oder praktische Erfahrungen sein, die je nach Prägnanz und Erklärungsgrad unterschiedliche Wirkung entfalten. So kann z.B. eine klare Vorstellung davon, welche Managementfunktionen in einer Organisation vorhanden sein müssen, um ihre Lebensfähigkeit abzusichern, ein solches Modell sein. Beim Blick auf eine Organisation und beim Durchdenken der aktuellen Situation in einer Organisation, kann ein solches Modell (wie ich es mit dem Managementbezugsrahmen hier im Blog erläutern werde) hilfreich sein, Funktionalitäten zu verstehen und Dysfunktionalitäten zu erkennen. Auch die hier beschriebenen Managementaufgaben können ein solches Modell sein, mit dessen Hilfe Sie Ihren Führungsalltag abgleichen und – so hoffe ich – Erkenntnisse gewinnen können.
Jeder, der Managementverantwortung übernimmt, muss dafür sorgen, dass er solche Gedankensortierhilfen etabliert und verinnerlicht hat. Werden sie zum steten Begleiter, helfen sie, Verlässlichkeit und Kontinuität im Handeln abzusichern und eine klare Orientierung für das eigene Handeln zu entwickeln. Als Managementberater sehe ich es als einen Kern meiner Aufgaben an, fundierte und hilfreiche Modelle zur Verfügung zu stellen; – Sortierhilfen, die leicht zu verstehen sind und sich trotzdem dazu eignen hochkomplexe Zusammenhänge zu durchdenken und zu verstehen.

Ein solch wesentliches und grundlegendes Denkmodell, das zur Erfüllung der hier beschriebenen Managementaufgabe zentral ist, ist das WWW-Modell.

In drei konzentrischen Kreisen ist gedanklicher Platz vorgesehen, um im äußersten Kreis zu einem Thema das Wünschenswerte, im mittleren Kreis das Wichtige und im innersten Kreis das Wesentliche voneinander abzugrenzen. Ganz gleich bei welchem Thema oder bei welchem Arbeitspaket (und selbst bei der hier besprochenen Managementaufgabe „Reflexion“) besteht die Gefahr, sich im Wünschenswerten und das Wesentliche aus dem Blick zu verlieren. Durch den Vergleich einzelner Themen und Arbeitspakete und durch eine klare Bestimmung, was wirklich wesentlich ist, wird die eigene Wirksamkeit deutlich erhöht. Werden Themen singulär bewertet, neigen Mitarbeitende und Führungskräfte dazu, alles als wesentlich anzusehen. Erst durch den Vergleich und die Fragen „Was von dem Wünschenswerten ist wirklich wichtig?“ und „Welche wenigen Aspekte von dem Wichtigen sind wirklich wesentlich?“ werden die wenigen wesentlichen Themen herauskristallisiert. Nur wer sich auf Weniges fokussiert und konzentriert, wird etwas Großes erreichen können. Dieses einfache Denkmodell ist für mich zu einer beständigen Sortierhilfe geworden, um mich in einer Welt mit schier unendlichen Anforderungen und Möglichkeiten in meinem Tun klar ausrichten zu können.

Reflektieren als Grundlage für Lernen

Neben spezifischen Modellen können also auch Prozessmodelle, mit denen im Alltag gezielt über Bestehendes und Ergebnisse reflektiert werden kann, hilfreich sein. Reflexion ermöglicht nicht nur persönliches Lernen, sondern wird auch zum Kristallisationspunkt für Lernprozesse in Teams und Organisationen. Hierfür ein gemeinsames Set an Fragen zu erarbeiten, mit dem in einer Organisation oder einem Team systematisch und wiederholt reflektiert werden kann, ist ein starkes Instrument, zur Förderung einer Lernkultur. Dabei können Lernprozesse zum Optimieren des Bestehenden (Wie können wir die Dinge besser und effizienter machen?) und zum Erneuern der Organisation (Was ändert sich in unserem Umfeld?, Welche Erwartungen sind zukünftig anders? Welche Potenziale können wir in Zukunft nutzen und unsere Organisation revolutionieren?) gefördert werden. Dies sind zwei wichtige Lernrichtungen, die für jede Organisation, jedes Team und jedes System überlebenswichtig sind.

Ein Tipp zum Schluss:

Sorgen Sie dafür, dass Sie wirksame Gedankensortierhilfen im Kopf haben und nutzen Sie diese ganz gezielt. Reservieren Sie sich Zeit für Reflexion und Lernen, konzentrieren Sie sich auf Wesentliches und antworten Sie dem nächsten Kollegen, der ruft „Chef, ich brauche da mal kurz eine Entscheidung!“: „Ich nehme an, die Sache ist Ihnen wirklich wichtig. Ich werde mir daher Zeit nehmen und die Sache durchdenken. Bitte senden Sie mir alles Wesentliche zu, was mir dabei hilfreich sein könnte. Lassen Sie uns morgen darüber sprechen, was Sie tun würden.“

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